OFFENER BRIEF DER ANGEHÖRIGEN DER OPFER DES TERRORANSCHLAGS VOM BERLINER BREITSCHEID- PLATZ AN KANZLERIN MERKEL

02.12.2017

OFFENER BRIEF DER ANGEHÖRIGEN DER OPFER DES TERRORANSCHLAGS VOM BERLINER BREITSCHEID- PLATZ AN KANZLERIN MERKEL

Ein Beitrag von Prof. Dr. Jörg Meuthen

Vor knapp einem Jahr ermordete der 2015 ins Land gekommene Anis Amri in Berlin 12 Menschen und verletzte 70 zum Teil sehr schwer.

Der Umgang der Bundesregierung mit all diesen unschuldigen Opfern des Berliner Terroranschlags vom letzten Dezember ist wahrhaft schändlich, wie spätestens jetzt offenkundig wird; beispielsweise hat es Frau Merkel bis zum heutigen Tage immer noch nicht für nötig gehalten, den Hinterbliebenen persönlich zu kondolieren.

Diese Hinterbliebenen sehen sich nun gezwungen, Frau Merkel aufgrund fehlender staatlicher Unterstützung in einem Brief persönlich anzuklagen.

Im Sinne dieser Menschen bitte ich Sie, liebe Leser: Nehmen Sie sich diese zwei Minuten Zeit und lesen Sie selbst, wie Frau Merkel und Konsorten mit einem Ereignis umgehen, an dem ihr eigenes Regierungsversagen für alle Bürger offenbar wurde. Ich zitiere aus diesem Schreiben:

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„Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

am 19. Dezember 2016 erschoss ein islamistischer Terrorist in Berlin einen polnischen LKW-Fahrer, raubte das Fahrzeug und steuerte es in den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Er ermordete dabei weitere elf Menschen aus Israel, Italien, Tschechien, der Ukraine und Deutschland. Mehr als 70 Personen wurden – teilweise sehr schwer – verletzt.

Wir, die Verfasser dieses Briefes, sind Familienangehörige aller zwölf Todesopfer. […] Wir nehmen in den Monaten seit dem Anschlag vielfältige Missstände wahr und haben uns nun entschieden, uns mit diesem Brief direkt an Sie, Frau Bundeskanzlerin, zu wenden. Die Missstände betreffen sowohl die mangelhafte Anti-Terror-Arbeit in Deutschland als auch den Umgang mit uns als Opfer und Hinterbliebene. […]

Der Terrorist, der den Anschlag am Breitscheidplatz verübt hat, ist unter vielen Migranten zu Beginn der Flüchtlingskrise nach Deutschland gekommen, hat vielfach Asyl beantragt, war als einer der Top-Gefährder bekannt und ist auch vor dem Anschlag bereits mehrfach straffällig geworden.

Seine Fingerabdrücke zur elektronischen Identifizierung wurden – wie die der meisten Flüchtlinge – mehrfach gar nicht oder erst mit großer Verzögerung ausgewertet. Als Top-Gefährder in der Bundeshauptstadt wurde er nur gelegentlich und nur an Werktagen und nie nachts observiert, obwohl bekannt war, dass er gewerbsmäßigen Drogenhandel betrieb. Möglichkeiten zur Abschiebung wurden verpasst. […]

In Bezug auf den Umgang mit uns Hinterbliebenen müssen wir zur Kenntnis nehmen, Frau Bundeskanzlerin, dass Sie uns auch fast ein Jahr nach dem Anschlag weder persönlich noch schriftlich kondoliert haben. Wir sind der Auffassung, dass Sie damit Ihrem Amt nicht gerecht werden. […]

Auch Ihre bisherigen Aktivitäten zur Unterstützung unserer Familien sind nicht ausreichend. So haben Sie schon am Tag unmittelbar nach dem Anschlag in der Gedächtniskirche einen Trauergottesdienst mit anderen Vertretern hoher politischer Ämter begangen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir Betroffenen noch gar nichts von unserem Schicksal. […] Während also der Trauergottesdienst stattfand, haben wir Hinterbliebenen verzweifelt nach unseren Angehörigen gesucht und dabei sämtliche Krankenhäuser in Berlin persönlich aufgesucht oder telefonisch kontaktiert. […]

Das erste offizielle Schreiben deutscher Behörden kam 22 Tage nach dem Anschlag von Bundesjustizminister Heiko Maas an einen Teil der Familienangehörigen. Er unternahm dabei keine Anstrengungen, zumindest alle Familienangehörigen ersten Grades direkt zu erreichen, sondern beließ es dabei, mit unvollständigen Listen zu arbeiten. […]

Der Verlust eines geliebten Menschen lässt sich nicht durch materielle Kompensationen entschädigen. Die Lücke in unserem Leben wird bestehen bleiben und uns bis an das Ende unseres Lebens begleiten. Wir müssen lernen, damit umzugehen.

Der Verlust eines engsten Angehörigen verursacht aber auch finanzielle Schäden. Unsere Erwartung ist, dass der Staat für die Familien der Hinterbliebenen „in die Schuhe der Opfer steigt“ und zumindest die finanziellen Lücken schließt, die der Anschlag reißt. Es ist unsere konkrete Erwartung an Sie, Frau Bundeskanzlerin, dass die Bundesrepublik unseren Familien unbürokratisch und umfassend hilft und für die heutigen und künftigen finanziellen Schäden aufkommt. […]

Frau Bundeskanzlerin, leider ist zu befürchten, dass der Anschlag vom Breitscheidplatz nicht der letzte terroristische Anschlag in Deutschland gewesen sein wird. Auch deshalb wenden wir uns mit diesem offenen Brief an Sie. Es sollte alles dafür getan werden, künftige Anschläge zu verhindern und zumindest einen angemessenen Umgang mit Opfern und Hinterbliebenen, ungeachtet der Nationalität, zu gewährleisten. Der Bund im Zusammenwirken mit allen 16 Bundesländern muss den Umgang mit dem Terrorismus so schnell wie möglich lernen. Die einfache Fortschreibung des aktuellen Versagens der Bundesrepublik ist unverantwortlich.

Auch wenn die von uns benannten Probleme nicht alleine auf Bundesebene gelöst werden können, erfordert deren Lösung die maßgebliche Federführung der Bundesregierung. Wir fordern Sie daher dringend auf, gemeinsam mit den Bundesländern die Probleme umgehend anzugehen und Lösungen herbeizuführen.“

Gez. Mitglieder aller 12 Familien der Todesopfer vom Breitscheidplatz
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Das also geschieht mit Menschen, die in Deutschland zum Zufallsopfer eines Terroranschlags werden – es hätte jeden von uns treffen können.

Ich möchte an dieser Stelle nochmals mein Mitgefühl mit allen Opfern und Hinterbliebenen deutlich zum Ausdruck bringen und darauf hinweisen, dass jeder, der in diesem schlimmen Zusammenhang eine gute Tat tun möchte, hier für die Opfer spenden kann:

Kontoinhaber:
DRK Landesverband Berliner Rotes Kreuz e. V.

IBAN:
DE68 1002 0500 0003 2490 15

Verwendungszweck:
Anschlag Breitscheidplatz

In Anbetracht der Tragik versage ich mir meine übliche Schlussformel und äußere lediglich die Hoffnung, dass so etwas nie wieder passieren möge in Deutschland.

https://www.welt.de/politik/deutschland/article171165139/Kritik-an-Merkel-Sie-werden-Ihrem-Amt-nicht-gerecht.html

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Der gesamte Brief im Originalwortlaut ist hier nachlesbar:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/anschlag-in-berlin-offener-brief-an-angela-merkel-im-wortlaut-a-1181266.html

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