PROF. DR. JÖRG MEUTHEN ZUM CORONAVIRUS

14.03.2020

PROF. DR. JÖRG MEUTHEN ZUM CORONAVIRUS

Ein Beitrag von Prof. Dr. Jörg Meuthen, MdE:

Liebe Leser, zuweilen stelle ich ans Ende meiner Kolumne einen Lesehinweis für alle besonders Interessierten.

Das ist heute aus gegebenem Anlass anders: Weil wir ALLES Menschenmögliche tun müssen, um bei uns eine solche Lage wie in Italien noch irgendwie zu verhindern, bitte ich Sie heute zunächst, sich mit den dramatischen Zuständen in Italien vertraut zu machen – wer den folgenden kurzen Artikel mit dem Titel „Die Patienten sterben bei vollem Bewusstsein“ gelesen hat, weiß, wie furchtbar die Lage dort ist und bei uns schon bald werden könnte:

https://www.bild.de/news/ausland/news-ausland/italienische-aerzte-ueber-corona-die-patienten-sterben-bei-vollem-bewusstsein-69369864.bild.html

Uns als Oppositionsführer wird ja häufig vorgeworfen, wir würden „nur“ kritisieren, ohne zugleich konstruktive Vorschläge zu machen. Das ist natürlich falsch, denn in unserer Kritik ist stets auch das enthalten, was anders gemacht werden sollte – was die Medien allerdings gerne verschweigen.

Bevor ich im Folgenden also zu dem komme, was nun aus unserer Sicht im Rahmen der Corona-Krise zu tun ist, lassen Sie mich zunächst aus zwei ins Schwarze treffenden Beiträgen der Bildzeitung zitieren, die deutlich machen, woran es derzeit mangelt.

Im Artikel „Corona-Krach im Kanzleramt – stundenlanger Streit, trotzdem kein Plan“ heißt es:

„Statt Einigkeit zu demonstrieren, stritten die Spitzen-Politiker um eine gemeinsame Linie. Eine flächendeckende Schließung von Schulen, Kitas, Universitäten soll es zunächst NICHT geben. Kein Einreisestopp für Menschen aus Krisenregionen! […]

https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/corona-krise-merkels-alarm-plan-fuer-die-krankenhaeuser-69364054.bild.html

Im Kommentar „Uns fehlt die Einigkeit“ stellt Paul Ronzheimer dazu fest:

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„In schweren Zeiten braucht es vor allem Eines: Einigkeit. Doch Deutschland zeigte sich in dieser Krise erschreckend ungeeint.

Während Gesundheitsminister Jens Spahn und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder den Ernst der Lage erkannt haben und harte Maßnahmen fordern, wie sie unsere Nachbarn längst durchgesetzt haben, sträuben sich einzelne Ministerpräsidenten. Als wollten sie nicht begreifen, dass es diesmal nicht nur um die Wirtschaft, sondern um die Gesundheit geht. Um Menschenleben.

Angela Merkel hingegen hat gezeigt, dass sie keine Kraft mehr für ein Machtwort hat. Dass sie in ihrer früheren Königsdisziplin, in Marathonsitzungen konkrete Ergebnisse zu erzielen, scheitert. Die Kanzlerin hat am Donnerstagabend verloren.

Merkel hat dem Land bis heute nicht gesagt, welche Strategie sie für die richtige hält. Besondere Zeiten bräuchten besondere Maßnahmen, sagte die Kanzlerin. Aber sie nannte keine einzige.

Sie sagte, dass Deutschland im Einklang mit Europa handelt. Aber Europa schließt Schulen, Merkel nicht. Europa verhängt Einreisestopps aus Krisenregionen, Merkel nicht.“

https://www.bild.de/politik/kolumnen/kolumne/corona-krise-kommentar-uns-fehlt-die-einigkeit-69365242.bild.html
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Herr Ronzheimer schließt mit der Feststellung, dass sich die Stimmen von Jens Spahn und Markus Söder durchsetzen mögen.

Über jedes Parteien-Hickhack des Alltags hinweg – gerade auch gegenüber Herrn Söder, der uns allen Ernstes als „Feind“ (was wir natürlich nicht sind) statt als „Gegner“ (was wir sind; Herr Söder sollte sich gerade als Vertreter einer sich christlich nennenden Partei des Unterschieds bewusst sein) bezeichnet – sage ich: Richtig so. Diese beiden, so scheint es zumindest, beginnen zu begreifen, was auf uns zurollt.

Aber warum nur sie? Warum nicht der Innenminister? Und insbesondere: Warum nicht die Noch-Kanzlerin?

Die beiden letztgenannten sind dafür verantwortlich, dass beispielsweise immer noch – und zwar jeden Tag! – ganz normale, große Passagierflugzeuge aus China hier bei uns landen, ohne dass irgendeine Gesundheitskontrolle (insbesondere Fiebermessen) der Passagiere stattfindet.

Das ist in Anbetracht der mittlerweile bekannten virologischen (und epidemiologischen!) Erkenntnisse zwar kaum zu glauben, aber es ist leider die Wahrheit. Mein Parteifreund Uwe Junge hat es – aus Hongkong (!) einreisend – vor wenigen Tagen selbst erlebt, und der bereits genannte Journalist Paul Ronzheimer bestätigt es in diesem Interview, hier ab 3:20 zu sehen:

https://www.bild.de/video/clip/politik-inland/kanzlerin-in-der-corona-krise-merkel-ist-eine-getriebene-69369332-69373858.bild.html

Diese Art von Inkonsequenz muss enden. Bei vielen denkbaren Maßnahmen zeigt bereits heute ein Blick nach Österreich, Italien und auch Frankreich, was getan werden kann und auch bei uns jetzt getan werden sollte:

– Bis auf weiteres keine Einreisen mehr aus Risikoländern, also keine Landeerlaubnis für Flugzeuge aus China, Italien etc.

– Alle Flugpassagiere, die in den letzten 14 Tagen aus Risikogebieten in Deutschland gelandet sind, haben sich bis zum Ende dieser 14-Tage-Frist in häusliche Quarantäne zu begeben.

– Strikte Kontrollen der Reisewege von anderen Flugpassagieren, die gegebenenfalls über einen Drittairport in einem Nicht-Risikoland versuchen, nach Deutschland zu gelangen.

– Rund-um-die-Uhr-Überwachung aller deutschen Grenzübergänge. Keine Einreisen auf dem Landweg mehr von Menschen aus Risikogebieten, Überprüfung aller Einreisenden auf Symptome des Corona-Virus.

– Innerhalb Deutschlands Abriegelung von besonders betroffenen Gemeinden, wie dies auch in Italien und mittlerweile auch in Österreich der Fall ist.

– Schließung sämtlicher Kitas, Schulen, Hochschulen – und zwar vollständig, also auch den Verwaltungs- und Forschungsbetrieb (ausgenommen medizinisch jetzt relevante Forschung). Damit auch kein weiterer Mensabetrieb.

– Zwangspause (oder, wo immer möglich, zwangsweise Umstellung auf Homeoffice) für alle Unternehmen und Behörden, die nichts wirklich existenziell Wichtiges erstellen.

– Unterstützung in jeglicher Form für Unternehmen, die jetzt erforderliche medizinische Geräte (insbesondere Beatmungsgeräte, die jetzt dringend zusätzlich bestellt werden müssen!), medizinische Schutzmaterialien und Desinfektionsmittel herstellen.

– Schließung aller Ladengeschäfte außer Supermärkten, Apotheken, Drogerien, Banken und Postfilialen.

– Öffentliche und ehrenamtliche Organisation eines Versorgungsnotdienstes für ältere Menschen mit hohem Risikoprofil mit allen lebensnotwendigen Gütern.

– Organisation eines Kinderbetreuungsnotdienstes für diejenigen Eltern, die für die Gemeinschaft weiter arbeitend zur Verfügung stehen müssen.

– Untersagung von örtlichen Vergnügungsveranstaltungen (Clubs, Discotheken etc.) wie auch Einstellung des Restaurantbetriebs.

– Und nicht zu vergessen, da erfahrungsgemäß hier besonders hohes Ansteckungspotenzial lauert: Einstellung des gesamten öffentlichen Personenverkehrs, flankiert von Notdiensten für diejenigen, die mit entsprechendem Nachweis zu ihren zwingend erforderlichen Arbeitsstellen gelangen müssen.

Soweit zu diesen Maßnahmen. Mit absoluter Sicherheit sind sie nicht vollständig, da eine vergleichbare Situation in den letzten Jahrzehnten nicht gegeben war und es deshalb nicht möglich ist, wirklich alles im Vorhinein zu bedenken.

Nur eines ist klar: Wenn wir jetzt nicht bereit sind, Deutschland in einen absoluten Minimalbetrieb zu versetzen (wie dies auch Kanzler Sebastian Kurz für Österreich sagte), dann werden wir uns schon in wenigen Wochen wünschen, diese extrem schmerzhaften und für uns alle bis vor kurzem vollkommen undenkbaren Schritte doch noch halbwegs rechtzeitig gegangen zu sein.

Wir M-Ü-S-S-E-N JETZT (!!!) die Infektionsketten idealerweise unterbrechen, zumindest aber die Ausbreitungsgeschwindigkeit drastisch verlangsamen, ansonsten werden wir alle im näheren oder weiteren Verwandten- oder Freundeskreis schwere Krankheitsverläufe bis hin zum Tod sehen – letzteres auch deshalb, weil die Kapazität im medizinischen Sektor schlicht nicht ausreichen wird, um alle schwer Erkrankten zu beatmen.

Man möchte in niemandes Haut stecken, die medizinische Entscheidung zu treffen, welcher Patient – mit seinen verzweifelten Angehörigen am Krankenbett – nun nicht mehr beatmet werden darf, weil ein anderer mit vielleicht etwas höheren Überlebenschancen sonst sterben müsste. Das aber ist genau die Situation, auf die wir absehbar zulaufen, wenn wir jetzt nicht unser Land für zumindest zwei Wochen in den genannten Minimalbetrieb versetzen.

Und eines sollte auch noch nicht unerwähnt bleiben, was wir nun alle tun können: Lasst uns alle in Deutschland zumindest für diese Zeit der schweren Krise unsere politischen Meinungsverschiedenheiten hinter uns lassen. Es geht jetzt um Wichtigeres – es geht um die Gesundheit (und leider in nicht wenigen Fällen auch um das Überleben) jedes einzelnen von uns.

Ich wiederhole daher nochmals meine bereits eingangs getroffene Aussage: Wir müssen ALLES Menschenmögliche tun, um bei uns eine solche Lage wie in Italien noch zu verhindern. Dazu müssen wir gemeinsam, sofort und mit absolut entschlossenen Maßnahmen handeln, um diese Lage wenn irgend möglich noch abzuwenden oder sie zumindest auf das absolut unvermeidbare Minimum zu begrenzen.

Wir werden daher allen Regierungsmaßnahmen, die das beherzigen, uneingeschränkt zustimmen und sie unterstützen.

Selbstverständlich verzichte ich in Anbetracht der Lage auch auf meine sonst übliche Schlussformel.

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